Die Bürgerwerke sind eine Dachgenossenschaft von insgesamt über 125 Bürgerenergiegenossenschaften. Die Initialidee für eine Dachgenossenschaft entstand bei den Gründern der Heidelberger Energiegenossenschaft als sie realisierten, dass die ihnen bekannten Genossenschaften alle vor denselben Herausforderungen standen.
Viele Energiegenossenschaften sind bis heute stark auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. Eine Aufgabe wie z. B. der Stromvertrieb ist im Ehrenamt jedoch kaum alleine zu lösen. Die Anforderungen sind zu hoch. Das kann man nicht “nebenbei” machen.
Fabian Stoffel, Projektentwickler PV-Freifläche bei den Bürgerwerken
Im Gespräch mit Fabian Stoffel haben wir einen Einblick in die Arbeit der Bürgerwerke bekommen und gleichzeitig auch über die Erfahrungen eines Mitglieds der Bürgerwerke sprechen können. Die Friedensfördernde Energie-Genossenschaft Herford eG (FEGH) hat erst letztlich die Einweihung ihres Solarparks in Nordrhein-Westfalen gefeiert.
Eine Mitgliedschaft bei den Bürgerwerken bietet ein Portfolio an Services
SonneSammeln: Was ist das Konzept hinter den Bürgerwerken? Und welche Vorteile bringt eine Mitgliedschaft mit sich?
Fabian Stoffel: Die Bürgerwerke stellen verschiedene Services für das Netzwerk der Mitgliedsgenossenschaften bereit. Die Hauptaufgabe, die die Genossenschaften mit und für ihre Mitglieder erfüllen, besteht in dem Verkauf und der Vermarktung des Bürgerstroms. Es sind jedoch eine ganze Reihe von Aufgaben mit der Zeit hinzugekommen wie z.B. die Unterstützung der Mitglieder bei der Professionalisierung, das Bereitstellen von Infrastruktur (Mitgliederportal), Angebote zur Weiterbildung, Räume für Austausch, gemeinsame Kampagnenplanung, u. v. m. Ein Mitglied der Bürgerwerke hat also viele Vorteile. Vor allem die Kraft der Gemeinschaft, die Vernetzung und der Austausch wird von unseren Mitgliedern immer wieder positiv hervorgehoben. Darüber hinaus werden alle Mitgliedsgenossenschaften im Netzwerk zudem gefördert und erhalten Gelder, mit denen sie weitere Energiewende-Projekte umsetzen können.
“Wenn wir die dringend benötigte Energiewende schaffen wollen, braucht es unbedingt echte Beteiligungsmöglichkeiten”
SonneSammeln: Welche Erneuerbare Energien Formen werden bei den Bürgerwerken umgesetzt? Welchen Stellenwert nimmt die Projektentwicklung von PV-Freiflächenanlagen ein? Wie kam es dazu?
Fabian Stoffel: Unmittelbar bei den Bürgerwerken direkt wird die Projektentwicklung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen umgesetzt. Dieses neue Geschäftsfeld hat sich aus den Bedarfen der Mitgliedsgenossenschaften der Bürgerwerke ergeben. In einer Umfrage im Jahr 2020 hat sich gezeigt, dass sich die Bürgerenergiegenossenschaften hier die Unterstützung ihrer Dachgenossenschaft wünschen. Also wurde ein entsprechendes Konzept erarbeitet und diese neue Abteilung aufgebaut.
Ein wichtiger gemeinsamer Ansatzpunkt ist dabei natürlich die Bürgerenergiebewegung im Bereich PV-Freiflächen stärker zu verankern. Bisher ist Bürgerbeteiligung in solchen Projekten oft nur schwach ausgeprägt. Das wollen wir ändern, denn wenn wir die Akzeptanz für die dringende nötige Energiewende steigern wollen, braucht es unbedingt echte Beteiligungsmöglichkeiten. Die demokratische Organisationsform einer Bürgerenergiegenossenschaft, die einen entsprechenden Solarpark über Jahrzehnte betreibt, ist dabei die Ideallösung. Das hilft gleichzeitig auch den Genossenschaften vor Ort, den Schritt in die Professionalisierung zu gehen. Unsere Mitgliedsgenossenschaften sind neben dem Bereich Solar auch in vielen weiteren Feldern aktiv wie etwa Windkraft oder auch Wärme. Darüber hinaus gibt es auf Initiative der Energiegenossenschaften in unserem Netzwerk auch bürgerbetriebene Innovationen im Bereich E‑Mobilität, wie z.B. das BürgerLadeNetz.
SonneSammeln: Neben der Unterstützung bei der Projektentwicklung von Solarparks, vertreiben die Bürgerwerke auch Strom und Gas. Wie läuft der Stromvertrieb aus Erneuerbaren Quellen ab? Welche Vorteile hat das für den Endverbraucher und die Energiegenossenschaft?
Fabian Stoffel: Der größte Vorteil für Endverbraucher:innen: Ein Stromvertrag bei den Bürgerwerken hat keinerlei Bezug zu fossilen Energieträgern – hier unterscheiden sich die “echten” Ökostromanbieter von den allermeisten Grundversorgern und den großen Stromkonzernen, hinter deren günstigeren Öko-Tarifen auch oft nur Zertifikate stecken. Gleichzeitig wird mit dem Energiebezug über die lokale Bürgerenergiegenossenschaft deren Arbeit und die der Bürgerwerke-Gemeinschaft insgesamt unterstützt, statt Renditen für große Aktienkonzerne zu liefern.
Für Energiegenossenschaften hat der Vertrieb von BürgerÖkostrom den großen Vorteil, dass sie 0,5 Cent an Förderung für jede verbrauchte Kilowattstunde erhalten. Gleichzeitig ergibt sich zumindest bilanziell auch die Wirkung, dass der von der lokalen Bürgerenergiegenossenschaft produzierte Strom auf diesem Umweg auch von den Endverbraucher:innen bezogen werden kann. Physikalisch kommt der Strom aus der Steckdose natürlich immer von dem nächstgelegenen Kraftwerk, egal mit welchem Unternehmen man als Verbraucher einen Vertrag abgeschlossen hat. Wenn die lokale Energiegenossenschaft den Strom aus ihren PV- oder Windkraftanlagen nun aber an die Bürgerwerke mit einem Direktliefervertrag verkauft und die Bürgerwerke dann eben diese Mengen auch in ihrem Portfolio für die Endverbraucher:innen haben ergibt das ein rundes Bild, wenn die Endverbraucher:innen dann BürgerÖkostrom über die lokale Genossenschaft beziehen .
Achtung aber bei der “Unabhängigkeit von fossilen Energien”: Bei unserem BürgerÖkogas haben wir zwei Tarife, die einen hohen Anteil an Erdgas haben. Dieses erhalten wir über einen Stadtwerkeverbund. Wir machen das, weil Biogas sehr teuer ist (immer knapper werdendes Gut), und wir allen Verbraucher:innen die Möglichkeit geben wollen, sich an der Energiewende zu beteiligen – auch wenn sie mit Gas heizen.
Ein Netzwerk für Bürgerenergiegenossenschaften
SonneSammeln: Ein großer Vorteil für die Bürgerenergiegenossenschaften bei den Bürgerwerken ist auch der Kontakt zu den anderen Genossenschaften, d.h. die Netzwerkarbeit. Welche Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch bieten die Bürgerwerke für ihre Mitglieder?
Fabian Stoffel: Besonders wertvoll sind dafür regelmäßig stattfindende Onlineworkshops zu den unterschiedlichsten Themen, zu denen einerseits externe Referent:innen eingeladen werden, aber häufig auch Genossenschaften selbst Best-Practice Beispiele vorstellen und sich gegenseitig Fragen beantworten können. Außerdem gibt es ein Mitgliederportal mit vielen unterschiedlichen Funktionen und einem Forum, in welchem ebenfalls umfangreicher Austausch möglich ist. Zu einzelnen Themen gibt es selbstorganisierte Arbeitsgruppen.
Darüber hinaus ist unsere jährliche Generalversammlung ein gut besuchtes Event, auf dem Networking viel Raum hat. Alleine schon die Kenntnis über weitere Genossenschaften und ihrer Tätigkeiten ist oft schon sehr hilfreich, um Lösungen für Herausforderungen zu finden. Da vermitteln die Bürgerwerke natürlich sehr gerne.
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Ein Mitglied der Bürgerwerke berichtet
Die Friedensfördernde Energie-Genossenschaft Herford eG (FEGH) berichtet von ihren Erfahrung mit der Entwicklung von PV-Freiflächenanlagen in Kooperation mit Bürgerwerke.
SonneSammeln: Herr Stoffel, Sie haben erst kürzlich die Eröffnung eines Solarparks in Herford gefeiert. Um welches Projekt handelt es sich? Und wie entstand die Idee zur Errichtung des Solarparks?
Fabian Stoffel: Wir haben unser bisher größtes Projekt, den Bürgersolarpark „Hainkamp“ am Rande eines Herforder Industriegebietes in Nordrhein-Westfalen eingeweiht. Die Anlage hat eine Leistung von rund 2,4 MWp und wurde auf einer früheren Bodendeponie errichtet. Besonders freut uns, dass wir die Anlage zu mehr als der Hälfte mit Eigenkapital, also Geld von Bürger:innen finanzieren konnten und nur einen geringen Anteil von der Bank brauchten. Die Idee für den Solarpark kam uns infolge der erfolgreichen Umsetzung unseres ersten PV-Freiflächenprojektes. Wir haben uns eine Potenzialflächenanalyse der Stadt angesehen und die dort vorgeschlagenen Flächen überprüft. Diese Fläche erschien uns letztlich am besten geeignet und auch die Eigentümerin ließ sich schnell von der Idee eines Bürgersolarparks begeistern.
“Wir kamen auf das Thema des Stromvertriebs und somit schnell auf die Bürgerwerke”
SonneSammeln: Um die Umsetzung dieser Idee hat sich Ihre Bürgerenergiegenossenschaft gekümmert, die Mitglied bei der Dachgenossenschaft Bürgerwerke ist. Wie kam es zur Gründung der Bürgerenergiegenossenschaft? Und wieso haben Sie sich dafür entschieden, mit den Bürgerwerken zusammenzuarbeiten?
Fabian Stoffel: Unsere Genossenschaft wurde 2011 mit Blick auf die Nuklear-Katastrophe von Fukushima gegründet. Damals haben einige Menschen in unserer Region, die vor allem in der Anti-Atom und Friedensbewegung organisiert waren, den Entschluss gefasst, dass sie selbst etwas tun wollen, um die Energiewende voranzubringen. Damit war die Idee zur Friedensfördernden Energie-Genossenschaft Herford geboren. Ursprünglich war der erste Gedanke, eine Bürgerwindkraftanlagen zu realisieren. Das ist bisher allerdings aufgrund der vielen Widerstände und der schwierigen Bedingungen in unserem Landkreis nicht gelungen. Davon haben wir uns aber nicht unterkriegen lassen und stattdessen Photovoltaik in Angriff genommen und erste Dachprojekte umgesetzt.
Das hat sich dann über die Jahre gut entwickelt und wir haben nach weiteren Geschäftsfeldern gesucht. Dabei kamen wir auf das Thema des Stromvertriebs und somit schnell auf die Bürgerwerke. Da wir auch hier den starken genossenschaftlichen Gedanken und ähnliche Wertevorstellungen wiedergefunden haben und zudem noch Zugang zu einem ganzen Netzwerk von Bürgerenergiegenossenschaften gewinnen konnten, passte das für uns sehr gut zusammen.
SonneSammeln: Lassen Sie den Strom auch von den Bürgerwerken vertreiben? Wenn ja, wie gestaltet sich hier die Zusammenarbeit?
Fabian Stoffel: Ja, den Strom unserer größeren Anlagen verkaufen wir aktuell mittels PPAs an die Bürgerwerke. Das freut uns sehr, da wir wiederum ja über unsere Homepage auch das BürgerÖkostrom-Angebot der Bürgerwerke vertreiben. Damit können unsere Kundinnen zumindest bilanziell auch tatsächlich den von uns produzierten Strom beziehen. Wir konnten uns mit den Bürgerwerken auf faire Preise einigen und auch die Abwicklung klappt reibungslos.
SonneSammeln: Welche konkreten Schritte bei der Projektentwicklung haben Sie gemeinsam mit den Bürgerwerken geplant und umgesetzt? Wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Wieso war das für Ihr Projekt so wertvoll?
Fabian Stoffel: Tatsächlich haben wir in Herford schon PV-Freiflächenprojekte umgesetzt, bevor die Bürgerwerke ihr Angebot aufgebaut haben. Daher war es eher so, dass die Bürgerwerke auch von uns profitieren konnten. Die Erfahrung, die ich ehrenamtlich in unserer Genossenschaft gesammelt habe, bringe ich nun hauptberuflich als Projektentwickler bei den Bürgerwerken ein. Dort sind nun natürlich viel mehr Ressourcen vorhanden als in unserer Genossenschaft vor Ort und ich kann umgekehrt vieles Neue, das ich hier lerne, wieder mit in die Genossenschaft bringen. Das ist sehr wertvoll und mit diesem Wissen lassen sich Fehler, die uns bei den früheren Projekten unterlaufen sind, künftig vermeiden. Zum Beispiel werden wir in Zukunft genauer auf ein umfangreiches Leistungsverzeichnis bei der Auftragsvergabe achten. Außerdem haben wir das Flächen-Pachtvertragsmuster der Bürgerwerke gekauft, da uns dieses besser gefiel als das, welches wir zuvor genutzt haben.
SonneSammeln: Gab es auch Schwierigkeiten?
Fabian Stoffel: Ja, die gab es natürlich auch. Besonderes Pech hatten wir beim Zeitpunkt der Komponentenbeschaffung. Leider haben wir zu einer absoluten Hochpreisphase infolge des Ukraine-Krieges und der Lieferkettenschwierigkeiten der Corona-Pandemie bestellt. Das sah erstmal unproblematisch aus, da zu diesem Zeitpunkt auch die Erlösmöglichkeiten für den einzuspeisenden Strom besonders hoch waren. Diese sind allerdings sehr schnell wieder gefallen, die Komponenten waren jedoch zu den entsprechenden Preisen bestellt. Wir haben zwar immer konservativ kalkuliert und viele Puffer eingebaut, aber die Rendite wird geringer ausfallen als zunächst gedacht und wir müssen uns regelmäßig um eine bestmögliche Vermarktung bemühen. Auch da helfen uns die Bürgerwerke sehr weiter, da wir für die ersten drei Jahre ein gutes PPA miteinander abschließen konnten.
SonneSammeln: War der Solarpark in Herford der erste Solarpark Ihrer Bürgerenergiegenossenschaften? Planen Sie weitere Projekte?
Fabian Stoffel: Wir haben bereits 2020 in der Nachbargemeinde Kirchlengern unsere erste PV-Freiflächenanlage auf einer Deponie in Betrieb genommen. Da wir dabei viel gelernt haben und die Performance der Anlage unsere Erwartungen sogar übertrifft haben wir uns entschlossen, unseren Fokus auf PV-Freiflächen zu legen. Mit so großen Projekten lässt sich das nötige Tempo für die Energiewende viel besser erreichen und die höheren Erträge ermöglichen uns Schritt für Schritt die Professionalisierung unserer bisher rein ehrenamtlichen Arbeit. Die nächsten Projekte haben wir daher auch schon im Zulauf und wir machen uns aktuell an die Umsetzung. Alleine mit eher kleinen Dachprojekten lässt sich die Energiewende nicht schnell und effizient genug voran bringen.
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Das Interview führte Daniela Feil mit Fabian Stoffel am 10. Dezember 2024.
Fabian Stoffel ist Projektentwickler für PV-Freiflächen bei der Bürgerwerke eG und unterstützt in dieser Position die einzelnen Bürgerenergiegenossenschaften, die bei den Bürgerwerken Mitglied sind, bei der Projektentwicklung.