“Ein Bür­ger­meis­ter setzt auf die Kraft der Son­ne”

19. September 2022

Einnahmen aus Solarparks stabilisieren Gemeindehaushalt und Jugendarbeit Uwe Weigelt ist erster Bürgermeister der sächsischen Gemeinde…

Alina Uppenkamp

“Ein Bür­ger­meis­ter setzt auf die Kraft der Son­ne”

Beispiel aus der Praxis
Kommune
19. September 2022

Ein­nah­men aus Solar­parks sta­bi­li­sie­ren Gemein­de­haus­halt und Jugend­ar­beit

Uwe Wei­gelt ist ers­ter Bür­ger­meis­ter der säch­si­schen Gemein­de Los­sa­tal und seit Mai 2022 zusätz­lich Geschäfts­füh­rer der kom­mu­na­len Wur­ze­ner Land-Wer­ke. Schon sehr früh hat er auf Solar­parks gesetzt – und damit durch­weg posi­ti­ve Erfah­run­gen gemacht. Die Gemein­de pro­fi­tiert durch Pacht- und Spon­so­ring-Ein­nah­men. Als nächs­tes möch­te Wei­gelt grü­nen Was­ser­stoff pro­du­zie­ren.

Son­ne­Sam­meln: Sie gehö­ren als Bür­ger­meis­ter zu den Pio­nie­ren, die sich für Solar­parks ein­ge­setzt haben. Was gab den Aus­schlag?

Uwe Wei­gelt: Das war ein Zusam­men­tref­fen glück­li­cher Umstän­de. Zum einen liegt die Gemein­de Los­sa­tal in einem regel­rech­ten Son­nen­loch Sach­sens mit unglaub­lich vie­len Son­nen­stun­den. Das hat auch der Sola­r­at­las bestä­tigt. Als ich 2008 Bür­ger­meis­ter wur­de, gab es außer­dem einen Rege­lungs­be­darf im Gewer­be­ge­biet. Flä­chen, die der Gemein­de gehör­ten und auf denen Bau­recht herrsch­te, waren bis dato noch nicht ver­mark­tet und es gab auch kei­ne gro­ße Nach­fra­ge. Das ent­wi­ckel­te sich 2008 zum Stand­ort­vor­teil. Die Inves­to­ren haben zual­ler­erst geschaut, wo sie die meis­ten Son­nen­stun­den fin­den. Und dann stan­den sie bei mir im Rat­haus und wir haben gemein­sam über­legt. Ich hat­te die Flä­chen, und die Inves­to­ren hat­ten den Mut und die Lust zu inves­tie­ren. Und so ist es auf den doch sehr gro­ßen Flä­chen der Gemein­de schnell zu den Ansied­lun­gen gro­ßer Solar­parks gekom­men. Wir haben damals auch ziem­lich gut ver­han­delt und gute Erlö­se erzielt. Das hat sich bei den Betrei­bern durch die anfangs sehr hohe Ein­spei­se­ver­gü­tung nicht nega­tiv aus­ge­wirkt.

Son­ne­Sam­meln: Wie schnell dau­er­te es denn von der Idee bis zur Eröff­nung des ers­ten Solar­parks? 

Uwe Wei­gelt: Naja, ich hat­te ja den Flä­chen­zu­griff. Das ging dann schon 2008 ziem­lich zügig los. 2010 stand der ers­te Solar­park..

Son­ne­Sam­meln: Was waren für Sie die aus­schlag­ge­ben­den Argu­men­te für PV-Frei­flä­chen­an­la­gen?

Uwe Wei­gelt: Einer­seits waren die Flä­chen schon sehr früh­zei­tig mit einem hohen finan­zi­el­len Auf­wand erschlos­sen wor­den. Mit­te der 90er Jah­re waren dort sei­tens der Gemein­de meh­re­re Mil­lio­nen in die Erschlie­ßung die­ses Gewer­be­ge­biets geflos­sen. Auf­grund der man­geln­den Nach­fra­ge hat­te sich dort aller­dings die Land­wirt­schaft nie­der­ge­las­sen. Das fand ich schon sehr unan­ge­bracht, denn dort steck­ten ja Steu­er­gel­der drin. Ein Solar­park war daher schon eine sehr will­kom­me­ne Ver­bes­se­rung der Frucht­fol­ge im Sin­ne der Gemein­de. Auch finan­zi­ell war das ein Quan­ten­sprung: Bei der land­wirt­schaft­li­chen Nut­zung lagen die Erträ­ge bei 150 Euro pro Hekt­ar; bei den Solar­parks lag die Pacht dann bei 2.500 Euro pro Hekt­ar pro Jahr. Ande­rer­seits ging es aber nicht nur dar­um, mehr Geld zu ver­die­nen. Son­dern für uns war es im Gemein­de­rat natür­lich auch eine Her­aus­for­de­rung, uns der sau­be­ren Ener­gie­ge­win­nung posi­tiv gegen­über auf­zu­stel­len.

Son­ne­Sam­meln: Wie kam die Idee denn im Gemein­de­rat an?

Uwe Wei­gelt: Wir waren damals mit­ten in einem Fusi­ons­pro­zess der noch sepa­ra­ten Gemein­den Fal­ken­hain und Hoh­burg. Eini­ge hat­ten Beden­ken, ob die Gemein­de auch tat­säch­lich dau­er­haft finan­zi­ell betei­ligt wird. Ins­ge­samt war aber eher die Stim­mung: „Wir füh­len uns rich­tig gut mit den Ent­schei­dun­gen, die wir getrof­fen haben.“ Und wir sind ja auch von Anfang an mit unse­ren Anla­gen­be­trei­bern eine stra­te­gi­sche Part­ner­schaft ein­ge­gan­gen. Die Betrei­ber haben unser Ver­eins­le­ben hier in der Gemein­de sehr groß­zü­gig unter­stützt, das hat natür­lich auch zur Ver­trau­ens­bil­dung bei­getra­gen. Heu­te sind wir mit dem Para­graph 6 im EEG ja inzwi­schen so weit, dass die Stand­ort­ge­mein­de pro Kilo­watt­stun­de mit bis zu 0,2 Cent am Solar­park betei­ligt wer­den kann. Die­se Rege­lung hat­ten wir damals noch nicht, da haben wir damals Neu­land betre­ten. Unse­re Absicht war immer, den Stand­ort­ge­mein­den Mög­lich­kei­ten zu geben, Din­ge vor Ort zu gestal­ten.

Son­ne­Sam­meln: Wie wur­de die Gemein­de betei­ligt und was wur­de mit der Unter­stüt­zung gemacht?

Uwe Wei­gelt: Die erhöh­ten Pacht­ei­nah­men und das Spon­so­ring, das die Solar­park­be­trei­ber mit unse­ren Ver­ei­nen und mit unse­ren Schu­len und Kin­der­gär­ten ver­ein­bart hat­ten, kamen direkt vor Ort an. Es hat mich natür­lich gefreut, dass wir durch das Spon­so­ring die Nach­wuchs­ar­beit in unse­ren gro­ßen Sport­ver­ei­nen sta­bi­li­sie­ren konn­ten. Das ist im Bereich der Jugend­ar­beit nicht weg­zu­den­ken. Wir sind eine gro­ße Flä­chen­ge­mein­de, Los­sa­tal hat 110 Qua­drat­ki­lo­me­ter und 17 Orts­tei­le. Da kom­men aus allen Ecken Wün­sche. Und natür­lich hel­fen 5.000 bis 10.000 Euro Spon­so­ring im Jahr unwahr­schein­lich. Das Zwei­te: Wir haben unse­re Eigen­mit­tel­si­tua­ti­on erheb­lich sta­bi­li­siert. Über die letz­ten 30 Jah­re hat­te sich ein ziem­lich gro­ßer Sanie­rungs­stau ange­sam­melt. Die Schu­len und Kitas konn­ten wir zum Groß­teil über die Mehr­ein­nah­men aus der Pacht kofi­nan­zie­ren. Die Auf­trä­ge haben wir natür­lich wei­test­ge­hend wie­der mit unse­rem regio­nal ansäs­si­gen Unter­neh­men rea­li­siert. Das wur­de schon sehr wohl­wol­lend beach­tet.

Son­ne­Sam­meln: Wie ging es dann wei­ter in Ihrer Gemein­de? Haben Sie noch wei­te­re Flä­chen für Solar­parks erschlos­sen?

Uwe Wei­gelt: Die Inves­to­ren haben fest­ge­stellt, dass der Sola­r­at­las recht hat­te und sich die Son­nen­stun­den sehr posi­tiv zu Buche schlu­gen. Wir haben auch Dach­an­la­gen errich­tet und nach wei­te­ren Flä­chen für Solar­parks gesucht. Bestimm­te Alt­las­ten­stand­or­te haben wir dann zurück­ent­wi­ckelt, rekul­ti­viert und für Solar genutzt. Inzwi­schen haben wir eine Fül­le an Anla­gen­be­trei­bern. Es hat­te sich her­um­ge­spro­chen, dass man bei uns rela­tiv gute Bedin­gun­gen für Solar­ener­gie vor­fin­det.

Son­ne­Sam­meln: Wie hat sich die Natur auf die­sen Alt­las­ten­stand­or­ten ver­än­dert?

Uwe Wei­gelt: Unser Gewer­be­ge­biet lag ent­lang einer Bahn­stre­cke. Dort haben wir recht vie­le Flä­chen, wo sich Tie­re und Pflan­zen gut ent­wi­ckeln konn­ten. Die Popu­la­ti­on der Feld­ha­sen und Fasa­ne hat es uns gedankt und wir haben auch eine Erhö­hung der Bio­di­ver­si­tät erlebt, was Insek­ten und Käfer angeht. Das war schon spek­ta­ku­lär. Zur Arten­viel­falt in Solar­parks gibt es auch eine Stu­die, die sich in unse­rem Pro­jekt bewahr­hei­tet hat.

Son­ne­Sam­meln: Groß­ar­tig. Und was haben Sie für die Zukunft geplant?

Uwe Wei­gelt: Im Moment sind wir dabei, das The­ma Wei­ter­ver­wen­dung des Stro­mes zu sor­tie­ren. Die Ein­spei­se­ver­gü­tung läuft noch bis Anfang der drei­ßi­ger Jah­re. Mit der Basalt AG schmie­den wir gemein­sam an einer Idee, um grü­nen Was­ser­stoff her­zu­stel­len. In dem Gewer­be­ge­biet ste­hen auch noch vier Wind­rä­der. Der Bereich Erneu­er­ba­re Ener­gien ent­wi­ckelt sich zur­zeit unwahr­schein­lich schnell, auch im Wind­be­reich. In Sach­sen kommt der Struk­tur­wan­del hin­zu, weil wir ja zu den Koh­le­aus­stiegs­re­gio­nen gehö­ren. Des­we­gen ver­fügt Sach­sen auch über eini­ge grö­ße­re Gel­der in naher Zukunft, was in Rich­tung Was­ser­stoff ein­ge­setzt wer­den kann und auch den Just Tran­si­ti­on Fund für den Struk­tur­wan­del.

Son­ne­Sam­meln: Zum Schluss noch eine letz­te Fra­ge: Was ist Ihre Emp­feh­lung an Kom­mu­nen, die über einen Solar­park nach­den­ken?

Uwe Wei­gelt: Alle, die am Tisch sit­zen und die von dem The­ma tan­giert wer­den, soll­ten sich immer als Teil der Lösung betrach­ten. Sowohl die Land­wir­te, die Flä­chen­ei­gen­tü­mer, die Kom­mu­ne als auch die Solar­in­ves­to­ren. Wenn doch einer dabei­sitzt, der sich als Stö­rer betrach­tet, dann klemmt’s, dann krie­gen Sie das nach außen auch ganz schlecht ver­mit­telt. Und eine wei­te­re wich­ti­ge Erkennt­nis. Wir wer­den um Flä­chen­zu­bau nicht umhin­kom­men, wenn wir in Rich­tung Erneu­er­ba­re gehen. Man muss aber dif­fe­ren­zie­ren. Es gibt gut geeig­ne­te Flä­chen und weni­ger gut geeig­ne­te. Weni­ger gut geeig­net sind Flä­chen mit hohen Boden­wer­ten, wo noch viel Feuch­tig­keit im Unter­grund ist. Daher emp­fiehlt sich eine Poten­zi­al­ana­ly­se, um zu son­die­ren, wo Flä­chen sind, die nie ordent­li­che Erträ­ge brin­gen, weil es eben sehr kie­si­ge und tro­cke­ne Flä­chen sind. Und dort fin­det man viel eher auch den Weg, den Land­wirt mit ins Boot zu holen. Und ich wün­sche mir für die säch­si­sche und die Bun­des­ge­setz­ge­bung, noch einen deut­li­chen Schritt auf die Land­wir­te zu. Von den Bewirt­schaf­tungs­flä­chen muss ohne­hin ein gewis­ser Teil Still­le­gungs­flä­chen sein. Macht das doch unter den Solar­an­la­gen, denn dann kön­nen wir gemein­sam noch den Bewuchs in den Anla­gen viel bio­di­ver­ser gestal­ten. Das wäre mein Wunsch und mei­ne Bit­te.

Das Inter­view führ­ten Alex­an­der Kara­sek und Mar­ti­na Haag am 20.06.2022.

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