In Solarparks ist eine Vielzahl verschiedener Insekten unterwegs – das wurde bereits durch viele Untersuchungsberichte und Studien wie “Artenvielfalt im Solarpark – eine bundesweite Feldstudie” gezeigt. Doch wie viel Biomasse an Fluginsekten ist im Solarpark tatsächlich vorhanden, und wie unterscheiden sich Solarparkflächen bspw. von angrenzenden Naturschutzflächen hinsichtlich der Insektendichte? Diesen und einigen weiteren Fragen ist Jennifer Rix in ihrer Masterarbeit nachgegangen. Sie untersuchte verschiedene Flächen innerhalb und außerhalb eines Solarparks mittels eines KI-gestützten automatisierten Monitoringsystems. Wir haben ihr zu dieser Forschungsarbeit einige Fragen gestellt.
Umfang, Methodik & Ergebnisse
Umfang der Untersuchungen – Zeitraum und Flächen
Ergebnisse der Erfassung der Fluginsekten-Aktivität
Beeinflussung durch Vögel und Schafbeweidung
Welche Insektenarten treten durch Schafbeweidung auf?
Flächenspezifische Unterschiede
Weitere Informationen
Tageszeitliche Aktivität der Insekten
Vorstellung der KI-gestützten Lösung für das Monitoring
Herausforderungen bei der Datenerhebung und -auswertung

1. Wie bist du auf das Thema Insektenerfassung in Solarparks gekommen und was hat dich daran besonders interessiert?
Ich habe im Bachelor Landschaftsplanung und Naturschutz und im Master Umweltschutz studiert, wobei mich die Themen Klimakrise und Biodiversitätsverlust die ganze Zeit begleitet haben. Während meines Studiums wurde auch immer wieder der Rückgang von Insekten thematisiert – allerdings ist die genaue Quantität bisher weitgehendst unbekannt. Während meines Masterstudiums war ich als Werkstudentin im Natur- und Artenschutzteam der EnBW tätig, wodurch ich erste Erfahrungen mit Solarparkthemen sammeln konnte. Mich hat besonders das Potenzial neuer Messtechniken zur Erfassung von Insekten interessiert, um dieses Wissen zu erweitern und die Situation in Solarparks abbilden zu können.
2. Bitte beschreibe kurz den Umfang der Untersuchungen – in welchem Zeitraum wurden auf welchen Flächen Insekten erfasst?
Bei der Masterarbeit handelt es sich um eine quantitative Datenerhebung mit anschließender Hypothesenprüfung. Die Untersuchungen umfassten die Erfassung von Fluginsekten im Solarpark Weesow-Willmersdorf mithilfe von FaunaPhotonics-Messgeräten. Insgesamt wurden sechs Geräte an unterschiedlichen Standorten innerhalb und außerhalb des Parks eingesetzt. Der Messzeitraum erstreckte sich über sieben Monate, im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich die Daten der ersten zweieinhalb Monaten ausgewertet. Zwei Messgeräte standen an zentralen Standorten im Solarpark, eines am Rand, eines im Wildtierkorridor zwischen den zentralen Modulflächen, eines auf einem angrenzenden Acker und eines im benachbarten FFH-Gebiet „Weesower Luch“. Die Geräte liefern automatisch und in Echtzeit Informationen zu den tageszeitlichen Aktivitäten, der Gesamtaktivität, der Biomasse und einen Biodiversitätsindex des jeweiligen Standortes.

3. Kannst du kurz erklären, wie du die Insekten in den Solarparks untersucht hast und welche Methoden du dafür verwendet hast?
Die Fluginsekten wurden mit speziellen, solarbetriebenen Messgeräten der Firma FaunaPhotonics untersucht. Jedes Gerät verfügt über einen Sensor auf einem Dreibein, der Infrarotlicht über LED-Module ausstrahlt und vorbeifliegende Insekten für den darüberliegenden Sensor erfassbar macht. Die Aktivitäten der Fluginsekten wurde tagsüber automatisch erfasst und KI-gestützt mit Informationen einer Datenbank (u.a. zu physikalischen Eigenschaften und Flügelschlagfrequenzen unterschiedlicher Fluginsektenarten) verglichen, sodass später eine Auswertung zu Aktivitäten, Biomasse und des Biodiversitätsindexes möglich war. Die Darstellung des Biodiversitätsindexes erfolgte nicht auf Artebene, sondern zeigte, wie viele unterschiedliche Individuen um einen Sensor unterwegs waren. Die Messungen begannen Mitte April und die Daten wurden für die Masterarbeit bis Ende Juni ausgewertet.
4. Welche Ergebnisse hast du bei der Erfassung der Fluginsekten-Aktivität in Solarparks festgestellt? Gab es Unterschiede zwischen den einzelnen Standorten?
Im Rahmen der Masterarbeit wurden drei Fragestellungen untersucht.
Zur ersten Frage, wie sich die Standorte gesamt voneinander unterscheiden: Auffällig war, dass entgegen den Erwartungen auf dem Rapsacker die höchste Insektenaktivität und Biomasse gemessen wurde, gefolgt von den zentralen Bereichen des Solarparks, dem Wildtierkorridor, dem Weesower Luch und dem Rand des Solarparks. Die Biodiversität zeigte Werte zwischen 0,6 und 0,8 (Spanne von 0-1) und stieg aber über den Messzeitraum leicht an. Zu Beginn waren die höchsten Werte im FFH-Gebiet zu sehen, gegen Ende der Messungen überholten die Werte an den Solarparkstandorten. Die Werte des Ackerstandort waren meistens etwas weniger biodivers als der Randstandort. Verwunderlich war, dass der Rapsacker trotz intensiver Bewirtschaftung (u.a. auch dem mehrmaligen Einsatz von Insektiziden) so hohe Aktivitätswerte aufwies, dass diese sogar das FFH-Gebiet überholten – vermutlich lag das daran, dass der Standort mit einem Abstand von etwa zehn Meter zum Ackerrand in der Nähe eines Feldgehölzes lag, das für Insekten generell förderlich ist. Weiter wird davon ausgegangen, dass durch die Hauptblütezeit des Rapses viele Individuen weniger Insektenarten angelockt wurden. Leider ist eine Identifikation der vorkommenden Arten nicht möglich gewesen, jedoch ist beispielsweise für die in Rapsackern vorkommende Märzfliege bekannt, dass diese sich im Flug paaren und im Schwarm vorkommen. In Kombination mit der Ausrichtung des Messgerätes bzw. der begrenzten Einstellhöhe des Sensors kann es zu den vorliegenden Ergebnissen gekommen sein. Spannend war außerdem zu beobachten, dass die zentralen Bereiche der Solarparks die nächst höchsten Aktivitäten zeigten und dass die Beweidungssituation vor Ort einen positiv einflussnehmenden Faktor für das Vorkommen der Fluginsekten darzustellen scheint.
Zur zweiten Frage, dem Vergleich von zentralen und randlichen Bereichen des Solarparks: Die Aktivität und Biomasse waren im Zentrum des Parks höher als am Rand, wobei es leichte Unterschiede zwischen den Standorten gab.
Zur dritten Frage, der Validierung der Messtechnik im Vergleich zu „traditionell“ genutzten Erfassungsmethoden: Es wurden positive Erfahrungen mit der Handhabung der Messgeräte und der Datenverfügbarkeit in Echtzeit gemacht. Durch den Einsatz der Geräte können personelle Ressourcen eingespart werden. Leider konnte mit der verwendeten Technik keine Aussage zu den vorkommenden Arten getroffen werden. Diese Information ist für die Darstellung der Biodiversität in Bezug auf die Insektenarten essenziell. Die Abbildung der Biomasse und damit verfügbaren Nahrung für insektenfressende Tiere war dennoch ein wertvolles Ergebnis. Die Ergebnisse vom Ackerstandort waren fragwürdig und sollten im Zusammenhang mit klassischen Kartierungen und weiteren Referenzstandorten betrachtet werden.
5. Gibt es einen bzw. wie belastbar ist der Zusammenhang zwischen einem hohen Vorkommen an Vögeln in Weesow-Wilmersdorf und einem geringeren Insektenvorkommen?
Dieses Thema wird in der Masterarbeit behandelt. Es gibt mehrere mögliche Gründe für die Unterschiede des Fluginsektenvorkommen. Wichtig ist die Einordnung, wo die Sensoren aufgestellt wurden – unter den Modulen wurde beispielsweise nicht gemessen. Für belastbare Aussagen wären mehr Untersuchungen und Referenzflächen nötig. Die Ergebnisse sind bisher nur eine Stichprobe. Im Brutzeitraum ist der Prädationsdruck durch Vögel wie Stare und Feldlerchen sehr hoch, was die Ergebnisse der Fluginsektenerfassungen an den unterschiedlichen Standorten beeinflusst haben kann. Als Offenlandvogel meidet die Feldlerche in der Regel dichte und hochwachsende Strukturen wie Rapsfelder oder Feldhecken, weshalb die Suche nach Nahrung am Ackerstandort während der gewählten Untersuchungszeit von kurz vor Blühzeit bis zur Ernte unwahrscheinlich ist.
6. Welche Insektenarten treten durch Schafbeweidung auf?
Laut Literaturrecherche treten durch die Beweidung insbesondere Fliegenarten, aber auch Tagfalter, Bienen und Hummeln im Solarpark auf. Diese bestäubenden Fluginsekten finden sich vor allem dort, wo Blüten vorhanden sind. Fliegenarten häufen sich u.a. um die Hinterlassenschaften der Schafe. Es konnte beobachtet werden, dass sich die Fluginsektenaktivität und daraus verfügbare Biomasse mit der Beweidung bewegt hat, da sich die Aktivität parallel nach dem Umtrieb der Schafsherde auch an den Standorten veränderte. Da die Aktivität positiv mit der Beweidung korrelierte, haben die Schafe scheinbar einen stärkeren Einfluss als der Blühhorizoint.

7. Wie unterscheidet sich die Biodiversität in Solarparks von der auf klassischen landwirtschaftlichen Flächen oder in Naturschutzgebieten?
Die Untersuchung umfasste nur einen kurzen Messzeitraum, wobei die Firma FaunaPhotonics zur Erfassung der Biodiversität mindestens ein aber besser bis drei Jahre empfiehlt. Außerdem wurden ausschließlich Fluginsekten erfasst – die Darstellung der Biodiversität eines Gebietes ist jedoch ein komplexes Thema. Grundsätzlich gelten ausgeräumte Ackerlandschaften, die intensiv bewirtschaftet werden weniger biodivers als gut geplante und umgesetzte Solarparks. Wichtig für eine Aufwertung ist jedoch eine gezielte Planung auf geeigneten Flächen, eine naturschutzfachlich durchdachte Flächenpflege, der Verzicht auf Pflanzenschutz- und Düngemittel sowie die Berücksichtigung der individuellen Standortbedingungen.
8. Welche Rolle spielt die tageszeitliche Aktivität der Insekten in deiner Untersuchung? Hast du dabei besondere Muster beobachtet?
Da die Messgeräte mit Solarstrom betrieben wurden, lieferten sie nur tagsüber Ergebnisse. Mit steigenden Temperaturen verschoben sich die Aktivitätspeaks der Insekten – zu Beginn gab es mittags und abends Spitzenwerte, später im Jahr eher am Ende des Tages. Im Mai wurden die größten Aktivitäten gemessen.
9. Welche technischen Systeme oder KI-gestützten Lösungen hast du für das Monitoring eingesetzt und wie funktionieren diese?
Diese Frage wird zum Teil bereits in Frage 2 beantwortet. Die Auswertung der erfassten Daten über die hinterlegte Datenbank erfolgte KI-gestützt über FaunaPhotonics. Hier sind unterschiedlichste Informationen zu den Verhaltensweisen und physikalischen Gegebenheiten unterschiedlicher Arten hinterlegt. Das Insekt, das durch das Lichtfeld fliegt, wird über den Sensor erkannt. Darauf folgt der Vergleich von Faktoren wie Körperverhältnissen, Flügelschlagfrequenz. Es wird KI-gestützt ausgewertet, wann wie viele unterschiedliche Individuen vor dem Sensor erfasst wurden und welche Biomasse und Heterogenität sich um den Sensor abbildet. Im Rahmen der Masterarbeit habe ich anhand dieser Daten eine Datenauswertung der Rohdaten mit anschließender Hypothesenprüfung durchgeführt.

10. Welche Herausforderungen sind dir bei der Datenerhebung und -auswertung begegnet?
Die Ergebnisse vom Rapsackerstandort waren methodisch herausfordernd, da die Sensoren aufgrund der Wuchshöhe des Rapses näher an Blüten standen als an anderen Standorten. Generell muss die methodische Detailplanung sehr gut durchdacht werden, um die Vergleichbarkeit der Standorte sicherzustellen und valide Aussagen treffen zu können. Für zukünftige Untersuchungen wären mehr Referenzstandorte, längere Untersuchungsintervalle und parallellaufende Kartierungen sinnvoll.
11. Welche Bedeutung haben Solarparkflächen deinen Erkenntnissen nach für den Naturschutz und die Förderung der Biodiversität?
Solarparks bieten ein riesiges Potenzial für den Natur- und Artenschutz, insbesondere wenn sie auf geeigneten Flächen errichtet werden. Durch die zwingende Einzäunung der Solarparks entsteht ein beruhigter Raum und Maßnahmen wie die Verwendung von regionalem Saatgut und standortheimischen Gehölzen, die Umsetzung einer extensiven Bewirtschaftung mit Verzicht auf Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und ein gut durchdachtes Parklayout (Reihenabstand und Bodenabstände) kann die Artenvielfalt fördern. Solarparks können so als Trittsteinhabitate dienen, in denen sich Arten erholen und entwickeln können.

12. Welche Erkenntnisse haben sich noch ergeben aus den darauffolgenden Messungen, die nicht mehr in die Masterarbeit eingeflossen sind?
Nach Abschluss der Masterarbeit zeigte sich, dass die Insektenaktivität und -biomasse im Solarpark tendenziell abgenommen hat. Im September gab es im FFH-Gebiet einen Aktivitätsanstieg, während auf dem Acker starke Schwankungen auftraten, die schwer zu erklären waren. Der Biodiversitätsindex zeigte am Ende der Messungen größte Biodiversität im Wildtierkorridor, gefolgt vom FFH-Gebiet, dem Randstandort und den zentralen Solarpark Standorten.
13. Welche weiteren Forschungsfragen ergeben sich aus deiner Arbeit und wie könnte die Forschung in diesem Bereich weitergehen?
Es gibt viele spannende Forschungsfragen, insbesondere zur Weiterentwicklung der Messtechnik, zur Artidentifikation und zu Untersuchungen in unterschiedlichen Solarparks. Langzeitstudien und Vorher-Nachher-Vergleiche wären besonders interessant, sind aber aktuell nicht geplant.
14. Beschäftigst du dich in deinem jetzigen Job bei der EnBW mit ähnlichen Themen wie in der Masterarbeit?
Ja, als Natur- und Artenschutzmanagerin bei der EnBW bin ich weiterhin mit Themen des Natur- und Artenschutzes befasst. Ich unterstütze Projekte während der Projektentwicklung im Bereich Wind Onshore und PV, und begleite die verschiedenen Projektentwicklungsschritte in Hinsicht auf Natur- und Artenschutzthemen. Die Zusammenarbeit mit Gutachterbüros ist dabei fester Bestandteil meiner Arbeit. Weitere Aufgaben sind die Begleitung von Forschungsvorhaben.
Das Interview führte Alice Brüssel-Kurbanov am 12.06.25 mit Jennifer Rix, Natur- und Artenschutzmanagerin bei der EnBW AG. Die vollständige Masterarbeit kann hier eingesehen werden.