Einblicke in die Praxis: im Gespräch mit Dr. Silke Bienroth
Dr. Silke Bienroth, Betriebsleiterin für Abfallwirtschaft im Landkreis Lörrach (Baden-Württemberg), berichtet von der Entstehung des vermutlich südlichsten Solarparks Deutschlands. Mehr als 11.000 Solarmodule versorgen rund 1.300 Haushalte jährlich mit Ökostrom. Der “Solarpark am Rhein” in Rheinfelden-Herten ging Ende 2016 in Betrieb.
SonneSammeln: Wie war Ihre erste Reaktion, als das Thema Solarpark zum ersten Mal auf die Agenda im Landratsamt kam?
Dr. Bienroth: Mein erster Gedanke war: Super Sache, aber wer soll das machen? Als kommunaler Eigenbetrieb Abfallwirtschaft hat man natürlich ganz andere Kernaufgaben, die Installation und Planung einer solchen Anlage gehört definitiv nicht zu unserem Alltagsgeschäft.
SonneSammeln: Und was waren dann Ihre ersten Schritte?
Dr. Bienroth: Bei uns hat das Ganze im Jahr 2011 begonnen. Der Auslöser war politisch. Es gab einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen. Statt der geplanten Rekultivierung sollte auf der alten Deponie eine PV-Freiflächenanlage realisiert werden. Fast zeitgleich kam eine Freiburger Firma mit der Frage auf uns zu, ob wir eine Fläche für die Realisierung bereitstellen können. Es war tatsächlich also mehr die Planungsseite, die aktiv wurde. Parallel ist die damalige Bürgersolar Hochrhein AG, heute die Bürgerenergie Dreiländereck eG, an uns herangetreten, die hier in der Region für ihr Engagement in Sachen regenerative Energien sehr bekannt ist. Das hat richtig Schwung in das Projekt gebracht. Für mich persönlich war zusätzlich der Besuch eines Solarparks in unserer Nachbargemeinde der Auslöser. Auf der Deponie Eichelburg wurde schon Mitte 2011 eine PV-Freiflächenanlage eröffnet, zu der ich eingeladen war. Ich war hoch beeindruckt, sogar ein wenig neidisch, als der rote Knopf gedrückt wurde und das Lämpchen anging, und dachte: Es wäre doch schön, wenn wir so was auch realisieren können. Es gab also insgesamt sogar vier Impulse, auf deren Basis wir dann in die Planungen einsteigen wollten und mussten.
SonneSammeln: Waren sich alle Akteure einig wie das Ganze abläuft?
Dr. Bienroth: Ich gebe zu, wir waren am Anfang eher Verzögerer, weil es nun mal kein natürlicher Standort ist, sondern eine Deponie. Und wir haben gemerkt, dass viele mit dieser Standortthematik nicht ausreichend vertraut waren. Daher haben wir 2011 ein Gutachten eines Ingenieurbüros beauftragt, um zu prüfen, ob eine technische, genehmigungsrechtliche und wirtschaftliche Machbarkeit gegeben ist. Wir wollten erst einmal die Rahmenbedingungen kennen. Das Gutachten zeigte, dass der Betrieb technisch und genehmigungsrechtlich machbar, aber wirtschaftlich nicht darstellbar ist. Mit dem Gutachten kam dann bei uns die Beschlussfassung: Wir bauen und betreiben nicht selbst, sondern schauen, ob wir jemanden finden, der diese Fläche für die Installation nutzen möchte. Es wurde ein zweckgebundenes Verpachtungsmodell entwickelt und anschließend eine Interessensabfrage gestartet. Daraufhin haben sich die drei jetzigen Betreiber der Anlage gemeldet: Die drei Energiegenossenschaften haben sich zusammengetan und eine Interessensbekundung abgegeben, gemeinsam mit der Freiburger Firma, die bereits bezüglich der technischen Ausführung angefragt hatte. Ab dann war alles klar und lief von selbst.
SonneSammeln: Und wie ging es mit den Planungen weiter?
Dr. Bienroth: Wir mussten zunächst zwei Genehmigungsbehörden mit ins Boot holen. Die Stadt Rheinfelden als Standortgemeinde für die baurechtliche und das Regierungspräsidium Freiburg für die deponierechtliche Genehmigung. Dabei ging es um die Änderung der ursprünglichen Rekultivierung der Fläche zu einer Nutzung als PV-Freiflächenanlage. Alle waren sehr offen für den Projektantrag. Die Stadt Rheinfelden war sehr daran interessiert, eine solche Anlage zu realisieren, die auch gut in das energiepolitische Programm passte. Dem Landkreis Lörrach war sowieso wegen des eea-Prozesses (European Energy Award) daran gelegen. Und das Regierungspräsidium Freiburg hat sich auch sehr aufgeschlossen gezeigt und mit wenigen Auflagen dann die abfallrechtliche beziehungsweise die deponierechtliche Genehmigung gegeben.
SonneSammeln: Wie war die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger vor Ort?
Dr. Bienroth: Bei diesem Standort gab es keinerlei Bedenken und von Anfang an große Begeisterung. Es ist eine alte Deponie — die hat natürlich die Raumschaft über viele, viele Jahre belastet. Die Öffentlichkeit war sofort begeistert, dass aus diesem „alten Schandfleck“ endlich etwas Gutes wird. Die Öffentlichkeit war also sehr interessiert und wurde auch früh mitgenommen.
„Ich würde jeder Person empfehlen, die anfängliche Scheu vor etwas Unbekanntem abzubauen, sich einfach zu trauen und sich die notwendige Kompetenz extern zu holen, wenn man sie intern nicht hat.“
Dr. Silke Bienroth, Betriebsleiterin für Abfallwirtschaft im Landkreis Lörrach
SonneSammeln: Wie ging es mit der Umsetzung voran?
Dr. Bienroth: Was für mich sehr positiv in Erinnerung bleibt, ist die enorme Schnelligkeit, mit der die Änderung des Bebauungsplanes erfolgt ist. Das war ein sensationelles Verfahren, es haben alle an einem Strang gezogen und mit Sicherheit wurde nichts oberflächlich behandelt, einschließlich naturschutzfachlicher Faktoren. Es musste natürlich überprüft werden: Gibt es auf der Fläche etwas zu berücksichtigen? Auf dem Gipfel dieser Fläche war bereits ein Eidechsen-Biotop angelegt. Diese Vorgabe ergab sich aus der alten Genehmigung für die Rekultivierung.
SonneSammeln: Das zeigt ja, dass Solarparks viel schneller als vermutet umgesetzt werden können. Welche besonderen Herausforderungen gab es insbesondere bei diesem Bauprojekt?
Dr. Bienroth: Für uns als Deponiebetreiber war vor allem wichtig, dass die qualifizierte Oberflächenabdichtung nicht beschädigt wird. Das ist dann leider bei der Montage der Module doch passiert. In den Böschungsbereichen ist diese anderthalb Meter hohe Schicht teilweise etwas knapper, darauf hatten wir damals mehrmals hingewiesen. Der Schaden wurde repariert, was zur Folge hatte, dass die Gründung nicht ganz so tief, sondern flächiger angesetzt werden musste. Am Ende hat aber alles geklappt!
SonneSammeln: Würden Sie im Rückblick alles noch einmal genauso machen oder welche Schritte würden Sie von der Planung bis zur Umsetzung mit dem heutigen Wissensstand ändern?
Dr. Bienroth: Mit dem Wissensstand von heute würde ich vielleicht doch noch einmal gründlicher prüfen, ob wir es nicht selbst machen können. Ich habe durch das Projekt einfach gesehen: Es geht! Der Landkreis hat in diesem Fall eine minimale Pachtsumme festgelegt, weil es Bürgerenergiegenossenschaften sind. Wir verdienen also nichts an dieser Anlage. Wir haben natürlich Einsparungen, weil jetzt die Oberflächen so genutzt werden, dass wir nicht mit der Pflege dieser Oberflächen beschäftigt sind. Im Nachgang muss ich sagen: Man hätte vielleicht doch ein bisschen mutiger sein und selbst einsteigen können. Das entscheidende Kriterium bei den Planungen war damals für uns, dass wir keine Eigenstromnutzung realisieren konnten. Mit einer Eigenstromnutzung wäre sicherlich auch die wirtschaftliche Bewertung anders ausgefallen. Was dann die eigentliche Planung und Ausführung angeht, kann man — glaube ich — nicht viel anders machen. Es gab Schnittstellenprobleme aufgrund der vielen Beteiligten, aber insgesamt ist alles gut gelaufen.
SonneSammeln: Haben Sie noch weitere Flächen, die für einen Solarpark zur Verfügung stehen? Würden Sie diesen Solarpark auch tatsächlich selbst planen und nicht auf Flächenverpachtung setzen?
Dr. Bienroth: Es kommt in unserer Verantwortung definitiv nur noch eine Fläche auf der Deponie Scheinberg, Deponieklasse 2, infrage, die noch in Betrieb ist. Wir haben dort bereits stillgelegte Alt-Abschnitte und da überlegen wir tatsächlich, ob wir eine PV-Freiflächenanlage realisieren. Das Projekt hätte in etwa die Größenordnung von dem jetzigen Solarpark. Dort wäre durchaus die Eigenstromnutzung interessant. Wir haben da visionäre Ideen: Auf der Deponie, die noch viele Jahrzehnte betrieben wird, setzen wir große Baumaschinen ein. Wenn die Wasserstoff-Technologie so weit ist, wäre an dem etwas abgelegenen Standort auch durchaus ein Modell denkbar, wo man aus dem Strom Wasserstoff produziert und die Baumaschinen damit betreibt. Ob ich es in meiner Funktion noch realisieren kann, weiß ich nicht, aber es wäre natürlich eine tolle Idee, hier unmittelbar die Sonnenenergie zur Energieversorgung des Deponiebetriebs einzusetzen.
SonneSammeln: Welche Ratschläge möchten Sie anderen Interessierten bei der Planung eines Solarparks mit auf den Weg geben?
Dr. Bienroth: Auf jeden Fall trauen und machen! Sich extern, wenn man sie intern nicht hat, die notwendige Kompetenz holen. Es ist ein tolles Konzept, dass unser Landkreis die Fläche einem Konsortium aus drei Bürgerenergiegenossenschaften mit einem geringen Pachtvertrag zur Verfügung stellt. Ich würde daher jeder Person und jedem Deponie-Betreiber in einer ähnlichen Situation empfehlen, diese anfängliche Scheu vor etwas Neuem abzubauen und Wege zur Realisierung zu finden.
Das Gespräch führte Alina Uppenkamp, Projektleiterin bei SonneSammeln.