Von der Müll­de­po­nie zum Solar­park

29. November 2021

Einblicke in die Praxis: Dr. Silke Bienroth berichtet, wie aus einer ehemaligen Deponiefläche ein Solarpark…

Alina Uppenkamp

Von der Müll­de­po­nie zum Solar­park

Beispiel aus der Praxis
Kommune
29. November 2021

Ein­bli­cke in die Pra­xis: im Gespräch mit Dr. Sil­ke Bien­roth

Dr. Sil­ke Bien­roth, Betriebs­lei­te­rin für Abfall­wirt­schaft im Land­kreis Lör­rach (Baden-Würt­tem­berg), berich­tet von der Ent­ste­hung des ver­mut­lich süd­lichs­ten Solar­parks Deutsch­lands. Mehr als 11.000 Solar­mo­du­le ver­sor­gen rund 1.300 Haus­hal­te jähr­lich mit Öko­strom. Der “Solar­park am Rhein” in Rhein­fel­den-Her­ten ging Ende 2016 in Betrieb.

Son­ne­Sam­meln: Wie war Ihre ers­te Reak­ti­on, als das The­ma Solar­park zum ers­ten Mal auf die Agen­da im Land­rats­amt kam?

Dr. Bien­roth: Mein ers­ter Gedan­ke war: Super Sache, aber wer soll das machen? Als kom­mu­na­ler Eigen­be­trieb Abfall­wirt­schaft hat man natür­lich ganz ande­re Kern­auf­ga­ben, die Instal­la­ti­on und Pla­nung einer sol­chen Anla­ge gehört defi­ni­tiv nicht zu unse­rem All­tags­ge­schäft.

Son­ne­Sam­meln: Und was waren dann Ihre ers­ten Schrit­te?

Dr. Bien­roth: Bei uns hat das Gan­ze im Jahr 2011 begon­nen. Der Aus­lö­ser war poli­tisch. Es gab einen Antrag von Bünd­nis 90/Die Grü­nen. Statt der geplan­ten Rekul­ti­vie­rung soll­te auf der alten Depo­nie eine PV-Frei­flä­chen­an­la­ge rea­li­siert wer­den. Fast zeit­gleich kam eine Frei­bur­ger Fir­ma mit der Fra­ge auf uns zu, ob wir eine Flä­che für die Rea­li­sie­rung bereit­stel­len kön­nen. Es war tat­säch­lich also mehr die Pla­nungs­sei­te, die aktiv wur­de. Par­al­lel ist die dama­li­ge Bür­ger­so­lar Hoch­rhein AG, heu­te die Bür­ger­en­er­gie Drei­län­der­eck eG, an uns her­an­ge­tre­ten, die hier in der Regi­on für ihr Enga­ge­ment in Sachen rege­ne­ra­ti­ve Ener­gien sehr bekannt ist. Das hat rich­tig Schwung in das Pro­jekt gebracht. Für mich per­sön­lich war zusätz­lich der Besuch eines Solar­parks in unse­rer Nach­bar­ge­mein­de der Aus­lö­ser. Auf der Depo­nie Eichel­burg wur­de schon Mit­te 2011 eine PV-Frei­flä­chen­an­la­ge eröff­net, zu der ich ein­ge­la­den war. Ich war hoch beein­druckt, sogar ein wenig nei­disch, als der rote Knopf gedrückt wur­de und das Lämp­chen anging, und dach­te: Es wäre doch schön, wenn wir so was auch rea­li­sie­ren kön­nen. Es gab also ins­ge­samt sogar vier Impul­se, auf deren Basis wir dann in die Pla­nun­gen ein­stei­gen woll­ten und muss­ten.

Son­ne­Sam­meln: Waren sich alle Akteu­re einig wie das Gan­ze abläuft?

Dr. Bien­roth: Ich gebe zu, wir waren am Anfang eher Ver­zö­ge­rer, weil es nun mal kein natür­li­cher Stand­ort ist, son­dern eine Depo­nie. Und wir haben gemerkt, dass vie­le mit die­ser Stand­ort­the­ma­tik nicht aus­rei­chend ver­traut waren. Daher haben wir 2011 ein Gut­ach­ten eines Inge­nieur­bü­ros beauf­tragt, um zu prü­fen, ob eine tech­ni­sche, geneh­mi­gungs­recht­li­che und wirt­schaft­li­che Mach­bar­keit gege­ben ist. Wir woll­ten erst ein­mal die Rah­men­be­din­gun­gen ken­nen. Das Gut­ach­ten zeig­te, dass der Betrieb tech­nisch und geneh­mi­gungs­recht­lich mach­bar, aber wirt­schaft­lich nicht dar­stell­bar ist. Mit dem Gut­ach­ten kam dann bei uns die Beschluss­fas­sung: Wir bau­en und betrei­ben nicht selbst, son­dern schau­en, ob wir jeman­den fin­den, der die­se Flä­che für die Instal­la­ti­on nut­zen möch­te. Es wur­de ein zweck­ge­bun­de­nes Ver­pach­tungs­mo­dell ent­wi­ckelt und anschlie­ßend eine Inter­es­sens­ab­fra­ge gestar­tet. Dar­auf­hin haben sich die drei jet­zi­gen Betrei­ber der Anla­ge gemel­det: Die drei Ener­gie­ge­nos­sen­schaf­ten haben sich zusam­men­ge­tan und eine Inter­es­sens­be­kun­dung abge­ge­ben, gemein­sam mit der Frei­bur­ger Fir­ma, die bereits bezüg­lich der tech­ni­schen Aus­füh­rung ange­fragt hat­te. Ab dann war alles klar und lief von selbst.

Son­ne­Sam­meln: Und wie ging es mit den Pla­nun­gen wei­ter?

Dr. Bien­roth: Wir muss­ten zunächst zwei Geneh­mi­gungs­be­hör­den mit ins Boot holen. Die Stadt Rhein­fel­den als Stand­ort­ge­mein­de für die bau­recht­li­che und das Regie­rungs­prä­si­di­um Frei­burg für die depo­nie­recht­li­che Geneh­mi­gung. Dabei ging es um die Ände­rung der ursprüng­li­chen Rekul­ti­vie­rung der Flä­che zu einer Nut­zung als PV-Frei­flä­chen­an­la­ge. Alle waren sehr offen für den Pro­jekt­an­trag. Die Stadt Rhein­fel­den war sehr dar­an inter­es­siert, eine sol­che Anla­ge zu rea­li­sie­ren, die auch gut in das ener­gie­po­li­ti­sche Pro­gramm pass­te. Dem Land­kreis Lör­rach war sowie­so wegen des eea-Pro­zes­ses (Euro­pean Ener­gy Award) dar­an gele­gen. Und das Regie­rungs­prä­si­di­um Frei­burg hat sich auch sehr auf­ge­schlos­sen gezeigt und mit weni­gen Auf­la­gen dann die abfall­recht­li­che bezie­hungs­wei­se die depo­nie­recht­li­che Geneh­mi­gung gege­ben.

Son­ne­Sam­meln: Wie war die Reak­ti­on der Bür­ge­rin­nen und Bür­ger vor Ort?

Dr. Bien­roth: Bei die­sem Stand­ort gab es kei­ner­lei Beden­ken und von Anfang an gro­ße Begeis­te­rung. Es ist eine alte Depo­nie — die hat natür­lich die Raum­schaft über vie­le, vie­le Jah­re belas­tet. Die Öffent­lich­keit war sofort begeis­tert, dass aus die­sem „alten Schand­fleck“ end­lich etwas Gutes wird. Die Öffent­lich­keit war also sehr inter­es­siert und wur­de auch früh mit­ge­nom­men.

Ich wür­de jeder Per­son emp­feh­len, die anfäng­li­che Scheu vor etwas Unbe­kann­tem abzu­bau­en, sich ein­fach zu trau­en und sich die not­wen­di­ge Kom­pe­tenz extern zu holen, wenn man sie intern nicht hat.“

Dr. Sil­ke Bien­roth, Betriebs­lei­te­rin für Abfall­wirt­schaft im Land­kreis Lör­rach

Son­ne­Sam­meln: Wie ging es mit der Umset­zung vor­an?

Dr. Bien­roth: Was für mich sehr posi­tiv in Erin­ne­rung bleibt, ist die enor­me Schnel­lig­keit, mit der die Ände­rung des Bebau­ungs­pla­nes erfolgt ist. Das war ein sen­sa­tio­nel­les Ver­fah­ren, es haben alle an einem Strang gezo­gen und mit Sicher­heit wur­de nichts ober­fläch­lich behan­delt, ein­schließ­lich natur­schutz­fach­li­cher Fak­to­ren. Es muss­te natür­lich über­prüft wer­den: Gibt es auf der Flä­che etwas zu berück­sich­ti­gen? Auf dem Gip­fel die­ser Flä­che war bereits ein Eidech­sen-Bio­top ange­legt. Die­se Vor­ga­be ergab sich aus der alten Geneh­mi­gung für die Rekul­ti­vie­rung.

Son­ne­Sam­meln: Das zeigt ja, dass Solar­parks viel schnel­ler als ver­mu­tet umge­setzt wer­den kön­nen. Wel­che beson­de­ren Her­aus­for­de­run­gen gab es ins­be­son­de­re bei die­sem Bau­pro­jekt?

Dr. Bien­roth: Für uns als Depo­nie­be­trei­ber war vor allem wich­tig, dass die qua­li­fi­zier­te Ober­flä­chen­ab­dich­tung nicht beschä­digt wird. Das ist dann lei­der bei der Mon­ta­ge der Modu­le doch pas­siert. In den Böschungs­be­rei­chen ist die­se andert­halb Meter hohe Schicht teil­wei­se etwas knap­per, dar­auf hat­ten wir damals mehr­mals hin­ge­wie­sen. Der Scha­den wur­de repa­riert, was zur Fol­ge hat­te, dass die Grün­dung nicht ganz so tief, son­dern flä­chi­ger ange­setzt wer­den muss­te. Am Ende hat aber alles geklappt!

Son­ne­Sam­meln: Wür­den Sie im Rück­blick alles noch ein­mal genau­so machen oder wel­che Schrit­te wür­den Sie von der Pla­nung bis zur Umset­zung mit dem heu­ti­gen Wis­sens­stand ändern?

Dr. Bien­roth: Mit dem Wis­sens­stand von heu­te wür­de ich viel­leicht doch noch ein­mal gründ­li­cher prü­fen, ob wir es nicht selbst machen kön­nen. Ich habe durch das Pro­jekt ein­fach gese­hen: Es geht! Der Land­kreis hat in die­sem Fall eine mini­ma­le Pacht­sum­me fest­ge­legt, weil es Bür­ger­en­er­gie­ge­nos­sen­schaf­ten sind. Wir ver­die­nen also nichts an die­ser Anla­ge. Wir haben natür­lich Ein­spa­run­gen, weil jetzt die Ober­flä­chen so genutzt wer­den, dass wir nicht mit der Pfle­ge die­ser Ober­flä­chen beschäf­tigt sind. Im Nach­gang muss ich sagen: Man hät­te viel­leicht doch ein biss­chen muti­ger sein und selbst ein­stei­gen kön­nen. Das ent­schei­den­de Kri­te­ri­um bei den Pla­nun­gen war damals für uns, dass wir kei­ne Eigen­strom­nut­zung rea­li­sie­ren konn­ten. Mit einer Eigen­strom­nut­zung wäre sicher­lich auch die wirt­schaft­li­che Bewer­tung anders aus­ge­fal­len. Was dann die eigent­li­che Pla­nung und Aus­füh­rung angeht, kann man — glau­be ich — nicht viel anders machen. Es gab Schnitt­stel­len­pro­ble­me auf­grund der vie­len Betei­lig­ten, aber ins­ge­samt ist alles gut gelau­fen.

Son­ne­Sam­meln: Haben Sie noch wei­te­re Flä­chen, die für einen Solar­park zur Ver­fü­gung ste­hen? Wür­den Sie die­sen Solar­park auch tat­säch­lich selbst pla­nen und nicht auf Flä­chen­ver­pach­tung set­zen?

Dr. Bien­roth: Es kommt in unse­rer Ver­ant­wor­tung defi­ni­tiv nur noch eine Flä­che auf der Depo­nie Schein­berg, Depo­nie­klas­se 2, infra­ge, die noch in Betrieb ist. Wir haben dort bereits still­ge­leg­te Alt-Abschnit­te und da über­le­gen wir tat­säch­lich, ob wir eine PV-Frei­flä­chen­an­la­ge rea­li­sie­ren. Das Pro­jekt hät­te in etwa die Grö­ßen­ord­nung von dem jet­zi­gen Solar­park. Dort wäre durch­aus die Eigen­strom­nut­zung inter­es­sant. Wir haben da visio­nä­re Ideen: Auf der Depo­nie, die noch vie­le Jahr­zehn­te betrie­ben wird, set­zen wir gro­ße Bau­ma­schi­nen ein. Wenn die Was­ser­stoff-Tech­no­lo­gie so weit ist, wäre an dem etwas abge­le­ge­nen Stand­ort auch durch­aus ein Modell denk­bar, wo man aus dem Strom Was­ser­stoff pro­du­ziert und die Bau­ma­schi­nen damit betreibt. Ob ich es in mei­ner Funk­ti­on noch rea­li­sie­ren kann, weiß ich nicht, aber es wäre natür­lich eine tol­le Idee, hier unmit­tel­bar die Son­nen­en­er­gie zur Ener­gie­ver­sor­gung des Depo­nie­be­triebs ein­zu­set­zen.

Son­ne­Sam­meln: Wel­che Rat­schlä­ge möch­ten Sie ande­ren Inter­es­sier­ten bei der Pla­nung eines Solar­parks mit auf den Weg geben?

Dr. Bien­roth: Auf jeden Fall trau­en und machen! Sich extern, wenn man sie intern nicht hat, die not­wen­di­ge Kom­pe­tenz holen. Es ist ein tol­les Kon­zept, dass unser Land­kreis die Flä­che einem Kon­sor­ti­um aus drei Bür­ger­en­er­gie­ge­nos­sen­schaf­ten mit einem gerin­gen Pacht­ver­trag zur Ver­fü­gung stellt. Ich wür­de daher jeder Per­son und jedem Depo­nie-Betrei­ber in einer ähn­li­chen Situa­ti­on emp­feh­len, die­se anfäng­li­che Scheu vor etwas Neu­em abzu­bau­en und Wege zur Rea­li­sie­rung zu fin­den.

Das Gespräch führ­te Ali­na Uppen­kamp, Pro­jekt­lei­te­rin bei Son­ne­Sam­meln.

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